Strohgedämmter Anbau in Freiburg-Waldsee

Adresse:
79102 Freiburg
Architekt:
mbpk Architekten und Stadtplaner GmbH
Der neue Wohnkomplex im Freiburger Stadtteil Waldsee wurde vom Freiburger Architekten Gerhard Kerner geplant. Kerner konzipierte ein Langhaus, das als harmonisches Ganzes den neuen Anbau sowie das bestehende Gebäude einfasst und sich zum Garten hin öffnet. So schaffte er es, den in Holzrahmenbauweise angefertigte Anbau wie ein eigenes Haus wirken zu lassen.

Die Besonderheit des in 2020 gestalteten Anbaus ist ein ökologisches, energieeffizientes und zugleich ästhetisches Highlight. So wurde für die Dämmung des Anbaus Stroh verwendet, welches punktuell im Wohnraum sichtbar gemacht wurde – ein innenarchitektonischer Eye-Catcher.

Ressourcenschonende Nachverdichtung als Lösung von Wohnraummangel im urbanen Raum:
Der Wintergarten des Bestandsgebäudes wurde durch den unterkellerten Anbau mit einer Wohnfläche von knapp 160 m² ersetzt. Neben einer Familie mit zwei Kindern ist nun zusätzlich Platz für weitere fünf Personen! Es entstand ein 3-Generationen-Stadthaus, das alle Ansprüche des modernen Holzbaus erfüllt, schön und ungewöhnlich.

Technisches Konzept des strohgedämmten Holzrahmenbaus:
Umgesetzt wurde das gesamte Projekt von der 1984 gegründeten Zimmerei Grünspecht eG. Das Freiburger Unternehmen ist spezialisiert auf Holzrahmenbau und orientiert sich bei jedem seiner Projekte an ökologischen Kriterien: Niedrige Energiebilanz, geringer Einsatz nicht erneuerbarer Rohstoffe, Minimierung raumluft- und umweltbelastender Stoffe, gute Wiederverwendbarkeit und umweltverträgliche Entsorgung aller verwendeter Baustoffe.
Die Bauweise mit Strohdämmung konnte die Zimmerei Grünspecht eG in ihre bewährte Planungs- und Produktionsprozesse integrieren. Die strohgedämmten Bauelemente wurden stationär vorgefertigt. Dadurch konnte eine hohe Qualität, eine kurze Bauzeit sowie eine effiziente Produktion gewährleistet werden. Zentrale Komponente des Baukonzepts sind maßgefertigte, raumhohe Strohballen, die lückenlos in das Holzrahmentragwerk eingebaut werden. So wird eine homogene Dämmschicht mit einer festen und gleichmäßigen Oberfläche erzielt, die sich bestens für die Direktverputzung mit Lehm oder Kalk eignet.
Der Anbau wurde innerhalb eines Tages auf der Baustelle aufgestellt. Es folgte der äußere Kalkputz in drei Arbeitsgängen. Innen sorgt der Lehmputz für die Luftdichtigkeit, dient als Dampfbremse und schafft ein behagliches Raumklima.
Mit diesem System adaptiert die Zimmerei Grünspecht eG das Bauen mit „Low Tech Materialien“ an die „High Tech Prozesse“ des modernen Holzrahmenbaus.

Die Natur als Lieferantin: Werkstoffgerechte Verwendung von regionalem Holz und Stroh:
▶ Mit Holz als Tragwerk, Stroh als Dämmstoff und Lehm als Raumabschluss werden die Eigenschaften dieser drei Naturbaustoffe optimal genutzt und der Bauteilaufbau auf das funktionale Minimum reduziert.
▶ Der Wandaufbau erfüllt alle statischen und bauphysikalischen Anforderungen für moderne Wohngebäude.
▶ Mit der strohgedämmten Gebäudehülle (36cm Strohdämmung) genügt das Gebäude den Anforderungen eines KFW Effizienzhaus 40+.
▶ Das (sägerauhe) Holz wurde überwiegend aus dem Stadtwald von Freiburg bezogen und in Freiamt eingeschnitten und getrocknet.
▶ Das verwendete Stroh ist ein Abfallprodukt aus der Getreiderente.

Behagliche und gesunde Wohnräume durch den Einsatz umweltschonender Naturbaustoffe:
▶ Einsatz von Lehmputz im Innenausbau, Lehmfarben, Trockenestrichen aus Lehmziegeln und Naturhölzern sowie Holzweichfaserplatten
▶ Im Trockenestrich integrierte Fußbodenheizung
▶ Massivholzdielen, Fliesen
Der verwendete Lehm-Unterputz mit Fasern aus Gerstenstroh harmoniert mit der Idee der Strohdämmung. Der Lehm-Oberputz grob hell mit Stroh, als einlagiger Oberputz im Innenbereich, wird mit besonders hellem Lehm hergestellt.
▶ Lehmputz reguliert die Luftfeuchtigkeit, in dem er überschüssigen Wasserdampf bindet und diesen bei Bedarf wieder abgibt.
▶ Lehmputz sorgt für frische Luft, da er in der Lage ist, der Luft Geruchs- und Schadstoffe zu entziehen.
▶ Lehmputz speichert die Wärme von Sonnenlicht und gibt diese gleichmäßig wieder ab, wenn es kühler wird.
▶ Lehmputz ist ein reines Naturmaterial und schadstofffrei.
Witterungsbeständiger Kalk-Leichtputz „Pajalit“, der in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Strohballenbau (FASBA) speziell zum außenseitigen Verputz von Strohballen entwickelt wurde, schließt die Außenwände ab und schützt das Haus vor den Witterungseinflüssen dauerhaft. In drei Arbeitsgängen aufgetragen, ergibt sich eine massive Putzschicht von ca. 3,5cm, die mit 2 zusätzlichen Anstrichen dem Haus seine schöne Erscheinung gibt.

Maximale Strom-Autarkie:
▶ Große PV-Anlage auf den Dächern des Alt -und Neubaus
▶ Batteriespeicher mit intelligenter Steuerung
▶ Deckung des Eigenbedarfes an Haushaltsstrom weit über 70%, dazu Wallbox zur Ladung 2-er Elektroautos
▶ PV-Heizstab wird zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung genutzt, sodass die Heizung den ganzen Sommer ausgeschaltet werden kann
▶ Die gemeinsame Pelletheizung versorgt in den Wintermonaten den Altbestand sowie Anbau. 4 Tonnen Pellets aus der Region reichen für die Beheizung beider gut gedämmter Häuser für das ganze Jahr.
▶ Dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

Die nachwachsenden Rohstoffe Holz und Stroh binden CO2 beim Wachstum. Die Zimmerei Grünspecht eG beschreitet mit diesem Haus einen Weg, diese Rohstoffe optimal einzusetzen.
Das Haus ist ein exzellentes Beispiel für die praktizierte Bauwende. Es zeigt: Modernes Bauen und ein respektvoller Umgang mit der Natur sind vereinbar und es stellt die Weichen in Richtung klimaneutraler Baukonstruktion.
Außenansicht (Quelle: Zimmerei Grünspecht eG)
Außenansicht (Quelle: Zimmerei Grünspecht eG)